Tabo:
….und die abgebrannten Produktionsstätten sind natürlich ein Märchen, welches VW erfunden hat…
Es gab Stornierungen, das ist richtig. Die gab es aber branchenweit. Auch BMW hat Lieferfristen, und kann nicht immer einfach so ins Lager greifen. Da ist es so, dass die vorhandenen Systeme zuerst in den neuen Modellen (damit sie auf der Straße zu sehen sind - gestern erst einen roten iX auf der A99 gesehen, ist das ein monströs hässliches Ding - und in den margenstarken Produktlinien verbaut werden, was den Aktionären gefällt.
Wenn das Problem nur an Bestell-Stornierungen läge, wäre es schon aus der Welt geschaffen worden. Auch Baumaschinenproduzenten haben Probleme, Chips zu bekommen. Und auch Industriezweige, die (nach Deiner Meinung) im Gegensatz zur Autoindustrie auf aktuelles Chip-Design setzen, kommen nicht vorwärts. Ich sag nur PS5. Die sieht man auch kaum in freier Wildbahn, und die sollte schon seit weit über einem Jahr Sonys Cash-Cow sein.
Dass man in der Autoindustrie eher auf „veraltetes Chip-Design“ setzt, hat auch mit dem Modellzyklus zu tun. Ein Smartphone wird keine 6 Jahre lang nahezu unverändert produziert. Und einen jährlichen (oder noch schnelleren) Modellwechsel bei Autos würde kein Kunde mitmachen. Dazu ist es zu viel Geld. Außerdem gibt eine große Menge “alter“ Chips, wie sie die Autoindustrie benötigt, eine sehr gute Planungssicherheit für die Zulieferer. Allein dafür lohnen sich eigene Produktionsstätten. Aber auch in China baut man eine abgebrannte Fabrik nicht in 3 Tagen wieder auf (auch wenn die einen Flughafen schneller bauen, als das Land Berlin )
Auch Apple hat Schwierigkeiten, alle Komponenten in der Menge und Qualität zu bekommen, die sie benötigen. Und da spricht man nicht von 200‘000 oder 300‘000 Sensoren im Quartal, sondern von mehreren 100 Millionen modernsten Chips jährlich. Und die haben eine ganz andere Marktposition als der VW-Konzern.
Dass just in time zum Problem werden kann, weiss die Autoindustrie nicht erst seit der Chipkrise. (tagelang angehaltene Werke wegen nicht lieferbarer Sitze gab es schon in den 90-ern, Ford hatte Probleme mit Kiekert als Zulieferer der Türschlösser usw.) Und doch sind Produktionsausfälle günstiger als der Aufbau einer großen Lagerhaltung. Auf Grund der Liefersituation kann sich jeder Hersteller derzeit sicher sein, dass Kunden nicht einfach so abwandern.
Was macht ein Hersteller, der vom Erfolg einer Modellserie überzeugt ist, Teile für die gesamte erwartete Laufzeit in der prognostizierten Menge fix bestellt, und dann floppt das Ding? Mehr Lagehallen bauen? Auch das benötigt Zeit. Und kostet richtig Geld, auch bei der Entsorgung der nicht verbauten Teile.
Auch schon vor Jahren gab es Engpässe, ohne Corona und Chipmangel. Lieferzeiten von weit mehr als einem Jahr z.B. beim Alfa 4C. Da hat man nicht mit dem Erfolg gerechnet.
Bei einem massentauglicheren Design der ID-Serie, und einem „hässlicheren“ Enyaq wäre die Wartezeit beim Enyaq kleiner.
Und selbst Mercedes leidet unter extremen Lieferzeiten. Das G-Modell derzeit ca. 18 Monate, ist derzeit nicht bestellbar. Obwohl da richtig Geld verdient wird. Die E-Klasse als Limousine gibt es erst wieder ab Modellwechsel. Der EQA 9-12 Monate. Fast alle A-Klasse-Derivate zwischen 9 und 12 Monaten, je nach Ausstattung. Manche Modelle sind nicht mit kontrastfarbigem Dach bestellbar (Maybach GLS600 - und bei der geringen Stückzahl und der Marge fragt man sich, warum.)
Diese Liste liesse sich für jeden Hersteller aufstellen.
Es gibt wohl derzeit keinen Bereich, welcher Computer-Chips benötigt, und nicht Probleme hat.
Es ist aber z.B eher erstaunlich, in welcher Menge es z.B. Akkus für BEV zu geben scheint, wenn man die Anzahl der Modelle und der Auslieferungen aller Hersteller mal zusammenrechnet. Dort kann sich die Zulieferindustrie auf Mengensteigerungen einstellen. Weil das zur Zeit noch ein margenstarker Bereich ist, wird da investiert. Sobald die Gewinne dort einbrechen, weil es ein Überangebot gibt, findet eine Marktbereinigung statt.
Und der Krieg in der Ukraine tut gerade sein Übriges. Die hier speziell fehlenden Kabelbäume könnten auch in Deutschland produziert werden. Würden dann vielleicht 4 Euro mehr pro Kabelbaum kosten. Hochgerechnet auf eine Million Autos im Jahr sind das ??? Frag den Aktionär, woher der Kabelbaum kommen soll, in Friedenszeiten… Oder den preissensiblen Kunden, bei dem diese 4 Euro das Fass zum überlaufen bringen. Oder den Controller, bei dem diese 4 Euro dafür sorgen, dass das Auto oberhalb der Kostenrange für den „Vertreterkarren“ liegt.
Die BEV-Förderung ist nur für Deutschland relevant. Das liegt für den Weltmarkt nicht einmal ausserhalb des Grundrauschens. Die führt im Augenblick nur dazu, dass in D zur Zeit viele noch die höhere Förderung („Innovationsprämie“) mitnehmen wollen, und deshalb auch gerade jetzt bestellen. Und dann wegen der eingeplanten 3000 EUR mehr „Ersparnis“ das Heulen bekommen. (oder Skoda mit dem Anwalt drohen… )
Diese Mitnahmeeffekte sind in D ein Problem, nicht weltweit. (siehe Wallboxen. Da sind deutschlandweit hunderttausende verbaut worden, die in den nächsten 10 Jahren kein BEV sehen werden.) Allein in meiner Nachbarschaft gibt es mehrere Fälle. Neues, großes Carport für 4 Autos, 2 Wallboxen drin. Solar auf dem Dach des Carports. Die neuen Autos? Ein Tiguan für die Frau, ein gebrauchter Golf für den Sohn und als Dienstwagen nen A6 6-Ender Diesel… Aber die Wallboxen gab es fast umsonst. Nur ca. 50 EUR Eigenanteil… Und in anderen Garagen sieht man die hübschen Kästen auch an der Wand, und die neuen Autos verbrennen wie eh und je Diesel oder Benzin. Da wurden neue Autos (Verbrenner) gekauft, und dann dank ausgerufener Förderung 3 Wochen später suchte man Elektriker, die schnell kommen konnten zur Montage… Und auch für diese hunderttausenden derzeit unnötig verbauten Wallboxen hat es Chips gebraucht, die anderswo auch gut gebraucht werden könnten.
Und auch ich finde es besser, jetzt dem Kunden zu sagen, er muss warten, bekommt aber dann sein Wunschauto, als wenn man ein halbfertiges Auto ausliefert, und der Kunde nicht weiss, dass er das autonome fahren eben später nicht kostenpflichtig freischalten kann, weil es schlichtweg nicht eingebaut ist. Oder die Kids das Handy nur per Powerbank laden können, weil die bezahlten Buchsen fehlen…