tl;dr;
* Mit einer guten Ladekurve (z.b. Software 3.0 und Enyaq 80), könnt ihr rechnerisch auch locker schneller als 130 km/h fahren und kommt schneller am Ziel an.
* Kurze Etappen (100-150km) sind schneller, wenn man schnell fahren kann. Bei 130 km/h Geschwindigkeitsbegrenzung ist eine 200 km Etappe meist besser.
* Die extra Zeit pro Ladestopp ist sehr relevant; ladet lieber am Rastplatz (Ionity), als am Autohof
Fragestellung
Wie optimiert man die Zeit von einer Schnellladesäule zur nächsten? Natürlich könnte man schneller Fahren, dabei wird aber auch mehr Energie verbraucht und daher ist die Ladezeit länger. Rentiert sich daher schneller fahren überhaupt und wie lange ist die beste Etappenlänge zwischen zwei Schnelladern?
Wer jetzt ein Déjà-vu hat: Ja ich habe diese Berechnung auch mal in einem anderen Forum gepostet. Aber jetzt habe ich die Methodik verbessert (mit Interaktivem Colab Notebook), und die Ladekurven sind bei aktueller Software bereits besser, sodass auch das Ergebnis anders ausfällt.
Verbrauch
Das ist noch das einfachste Thema, wenn man schneller fährt, wird auch mehr verbraucht. Die Daten sind von den Youtube Videos von Battery Life (siehe Abschnitt Daten).
Die Datenpunkte wurden dann quadratisch gefittet um eine Ausgleichskurve zu erhalten:
Optimales laden
Für einen Ladevorgang benötigt man immer eine gewisse Ladezeit plus einer zusätzlichen Zeit um von der Autobahn abzufahren, die Säule freizuschalten etc. Diese zusätzliche Zeit ist natürlich individuell und hängt davon ab ob man auf einem Rastplatz läd (Ionity) oder auf einem Autohof, ob man Ladestau hat und so weiter. Nach unserer letzten Urlaubsreise würde ich diesen Parameter jedenfalls nicht unterschätzen. Dort hatte ich an einem Autohof geladen und ca. 9min extra benötigt. Man unterschätzt die Zeit zum abfahren einfach.
Die Ladekurven sehen wie folgt aus:
extra_time_1.pngextra_time_8.png
Wieso sieht das jetzt so anders aus als die bekannten Ladekurven?
Hier wird die durchschnittliche Ladeleistung über den gesamten Ladevorgang angegeben, welche auch die zusätzliche Zeit pro Stopp berücksichtigt. Die durchschnittliche Ladeleistung Pavg(t) als Funktion der Ladezeit berechnet sich aus:
Pavg(t) = E(t)/(t+textra)
Wobei hier E(t) die geladene Energie nach t Minuten darstellt und textra die extra Zeit pro Ladestopp. Bei den beiden Abbildungen wurde textra mit einer und mit acht Minuten verwendet.
Man sieht hier, dass es ein Maximum bei der durchschnittlichen Ladezeit gibt. Wenn man kürzer oder länger aufläd, dann läd man langsamer. Mann Sollte also exakt solange Laden und dann weiterfahren. Das liegt an den Ladekurven, welche bis 30% Ladestand meist eine deutlich höhere Ladeleistung aufweisen und die Leistung Richtung 80% deutlich weniger wird.
Für eine extra Zeit von 8 Minuten (realistischer), werden die Kurven allerdings sehr viel flacher und der Hochpunkt wird zu einer längeren Ladezeit verschoben. Man kann also, wenn man von der Autobahn abfährt auch länger laden und erreicht eine gute durchschnittliche Ladegeschwindigkeit, wenn man am Rastplatz läd, dann kann man auch früher wieder losfahren.
Im Fahrzeugvergleich sticht natürlich der Ioniq 5 mit seiner hohen Ladeleistung hervor. Das Model Y wurde vermutlich an einer Ionity Säule geladen, an einem V3 Supercharger wäre die Kurve vermutlich besser. Beeindruckend ist auch die neue Ladekurve der RWD Modelle (Enyaq 80, ID.4/5 Pro). Diese halten die 135 kW sehr lange und haben daher eine flachere Kurve im Vergleich zu den AWD Modellen mit anderer Batterie (Enyaq 80x/RS).
Kurvenanpassung
Die Kurve für E(t) entstammen auch aus den Daten vom Youtuber Battery Life (siehe Abschnitt Daten). Und wurden zunächst als E(t) aufgenommen und dann gefittet. Hier als Bespiel für den Enyaq RS: (Die roten Punkte sind dabei die Rohdaten)
Vorsicht, weil ich für die Berechnung später eigentlich die Ladezeit für eine gewisse Energie benötigt habe, ist die Kurve t(E), also etwas ungewöhnlich.
Optimale Geschwindigkeit
Mit der Verbrauchskurve und der Ladekurve kann die effektive Geschwindigkeit für eine Etappe berechnet werden. Die effektive Geschwindigkeit berücksichtigt dann die Ladezeit, welche benötigt wird um genau soviel aufzuladen wie für die Etappe verbraucht wird.
Z.B. fahren wir mit 50% los, und kommen mit 10% am nächsten Schnellader an und laden dort wieder auf 50% auf. Die effektive Geschwindigkeit ist dann die Etappenlänge geteilt durch die Gesamtzeit.
def effective_velocity(self, v, s):
""""The effective speed including charging time and extra time per charging stop.
The function depends on the driven speed v[km/h] and stage distance s [km]"""
# time to drive distance s
t1 = (s / v)
# energy neccessary to drive distance s
E = self.consumption(v) * s
# time to charge E
t2 = (self.charging_time(E)+ self.extra_time)/60.0
if ((((E / self.capacity) * 100)+self.start_at_percent)>100):
return np.nan # return nan if charging would be over 100%
else:
return s/(t1+t2)
Alles anzeigen
Jetzt kann man die effektive Geschwindigkeit für verschiedene Etappenlängen als Funktion der gefahrenen Geschwindigkeit plotten (die extra Zeit war übrigens auf 8 min festgelegt):
Wie man sieht ergibt sich auch hier ein Hochpunkt. Das ist hier beispielsweise bei der grünen Kurve für eine Distanz von 200 km bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von ca. 140 km/h. Man fährt also mit 140 km/h effektiv am schnellsten. Natürlich ist die Kurve um den Hochpunkt sehr flach, wenn man eher etwas langsamer fährt verliert man nur wenig effektive Geschwindigkeit. Man sieht aber auch, dass kürzere Etappen eine höhere effektive Geschwindigkeit ergeben. Allerdings nur wenn die Autobahn frei ist und man auch schnell fahren kann. Für eine Distanz von 150 km kann man grob 150 km/h fahren und für eine 100 km Etappe bereits 160 km/h.
Nochmal für ein paar Fahrzeuge im Vergleich, jeweils für eine Distanz von 150 km.
Auch hier sieht man schön: Je schneller ein Auto läd, desto mehr rendiert sich auch eine höhere gefahrene Geschwindigkeit. Liegen die Kurven bei 120 km/h noch recht nahe bei einander trennt sich bei 160 km/h die Spreu vom Weizen und er Ioniq 5 kann seine Stärke voll auspielen.