Eigentlich hatte sich der Bund mit der neuen Ladesäulenverordnung (LSV) auf die Fahnen geschrieben, den Bezahlvorgang an Ladesäulen einfacher zu gestalten.
Nun gibt es hinter den Kulissen wohl ordentliche Diskrepanzen der Platzhirsche: Bankinstitute und Stromanbieter
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Karten-Streit bremst Ladesäulen-AusbauWelche Rolle sollen EC-Karten beim Stromtanken spielen? Die Energieversorger finden, gar keine. Nun bangen die Banken um ihr Tankgeschäft - und die wichtige Verordnung wackelt.
Alles sollte ganz schnell gehen, darin war sich die Koalition einig. "Der Ausbau der Ladeinfrastruktur als notwendige Voraussetzung zum Hochlauf der E-Mobilität wird beschleunigt", beschlossen Union und SPD in ihrem Corona-Konjunkturpaket. Schließlich sollten auch grüne Infrastrukturen helfen, die Krise zu überwinden. "Insbesondere soll das einheitliche Bezahlsystem für Ladesäulen nun zügig umgesetzt werden." Das war im Juni vergangenen Jahres. Das Wirtschaftsministerium machte sich an die Arbeit, im November stand ein erster Entwurf für die neue "Ladesäulenverordnung", kurz LSV. Und dabei blieb es.
Denn hinter den Kulissen ist ein skurriler Streit über die Frage entbrannt, wie denn diese "einheitlichen Bezahlsysteme" aussehen sollen. Reicht es, elektronische Bezahlsysteme via Smartphone anzubieten? Oder müssten nicht auch EC- und Kreditkarten eine Chance bekommen, noch immer die gängigen Zahlungsmittel der Deutschen?
Genau das wünschen sich die Geldinstitute. Seit Wochen arbeitet etwa der Deutsche Sparkassen- und Giroverband auf eine Kartenlösung hin. "Wer mit dem E-Auto in Deutschland unterwegs ist", warb Verbandspräsident Helmut Schleweis kürzlich in einem Brief an Finanzminister Olaf Scholz (SPD), "sollte an jeder Ladesäule uneingeschränkt tanken können." Gerade mit Blick auf spontane "ad-hoc-Ladevorgänge" sei ein Verzicht auf die Kartenzahlung der "gesellschaftlichen Verankerung der Elektromobilität nicht dienlich".
Doch auch die Stromwirtschaft intervenierte bei der Bundesregierung - für das glatte Gegenteil. Vorige Woche schrieb sie an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und dessen Verkehrskollegen Andreas Scheuer (CSU). "Die Möglichkeit des spontanen Ladens ist ein kaum genutztes Angebot, das als Backup-Variante vor allem für Nutzerinnen und Nutzer aus dem europäischen Ausland relevant ist", warf der Branchenverband BDEW ein, flankiert von einer ganzen Reihe Energieversorger. Mit Sorge nehme man wahr, dass sich die Kreditwirtschaft für "analoge" Kartenlesegeräte einsetze. Diese würden kaum genutzt, verteuerten aber die Ladesäulen um zehn Prozent. Dies sei "unverhältnismäßig". Und sie widersprächen der Digitalisierungsagenda, digitale Bezahlsysteme setzten sich durch. "Analoge Kartenlesegeräte werden dagegen in wenigen Jahren obsolet sein."
So wogt der Streit hin und her. In einem internen Papier rechnet die Kreditwirtschaft vor, dass der Einbau der Kartenleser mitnichten so teuer sein muss. Bei vierstelligen Stückzahlen seien die schon unter 300 Euro die Einheit zu haben. "Der Markt entwickelt sich rasant und die Preise werden durch den Wettbewerbsdruck noch weiter fallen", heißt es darin. Und von "analog" wollen die Kartenfreunde erst gar nichts wissen. Schließlich werde auch an Ladenkassen zunehmend kontaktlos und ohne Pin gezahlt. Und bis 50 Euro funktioniere das auch problemlos an einer Strom-Tankstelle.
Der Zeitplan wackelt erneut
Aber es geht eben auch um den Treibstoff der Zukunft - und um die Grundsatzfrage, wer daran verdient. Schließlich werden Benzin und Diesel bislang fleißig mit Geldkarten bezahlt. Stattdessen könnten Verträge an Bedeutung gewinnen, die Autofahrer direkt mit Stromversorgern abschließen. Einstweilen jedoch sorgt der Streit vor allem dafür, dass sich eine Entscheidung verzögert. "Mit Sorge nehmen wir wahr, dass die LSV entgegen der ursprünglichen Planung immer noch nicht im Kabinett beschlossen wurde", moniert der Stromverband BDEW.
Nach SZ-Informationen hätte sich schon am vergangenen Dienstag das Kabinett mit der Neuregelung befassen sollen, doch daraus wurde nichts. Nun soll der Kabinettszeitplan eine Entscheidung am 21. oder 27. April vorsehen. Doch auch das ist noch nicht sicher. Gespräche in der Sache liefen, heißt es in Regierungskreisen. "Eventuelle Zwischenstände kommentieren wir nicht", verlautet es aus dem Wirtschaftsministerium. "Unser Anliegen ist, schnell zu einer praktikablen Änderung der Ladesäulen-Verordnung zu kommen", erklärt das Bundesverkehrsministerium. Das Bundesfinanzministerium von Olaf Scholz setze sich dafür ein, die Bezahlmöglichkeit per Karte obligatorisch zu machen, heißt es in Regierungskreisen - ganz im Sinne der Kreditwirtschaft.
Als wahrscheinlichste Variante wird in Berlin gehandelt, dass die Ministerien sich bald auf die Kartenlösung einigen. Noch immer aber seien Details zu klären, heißt es in Regierungskreisen. So dürfe das Eichrecht die Sache nicht bremsen. Beim Autobranchenverband VDA kann man die Diskussion ohnehin nur bedingt verstehen. Der Entwurf der Verordnung sei "aus Sicht des VDA in Ordnung", sagt ein Sprecher. Dort wünscht man sich vor allem eins: "Die Verordnung sollte nun rasch beschlossen und umgesetzt werden."