Wir hatten uns da etwas vorgenommen. Die erste wirklich lange Fahrt mit unserem iV60. Und gleich noch mit dem neuen Anhänger. Von Südwestdeutschland nach Südwestfrankreich, ca. 1.300 km ein Weg.
Den Anhänger haben wir extra so gewählt, dass er nicht über den Enyaq ragt:
Der Anhänger also nur mit Hochbordwand (Gesamthöhe ca. 1,2 m), kein hoher Kofferaufbau, Gesamtgewicht mit Beladung ca. 500 kg.
Dann war es am Abfahrtstag regnerisch, Temperatur ca. 5 Grad Celsius und damit alles andere als ideal für ein E-Auto.
Wir hatten auch keinerlei Erfahrung, wie sich der Anhänger jetzt tatsächlich auswirkt auf den Verbrauch und die Reichweite.
Die Strecke selbst bis ins Detail mit ABRP ausgeknobelt.
Dazu kommt - wer schon einmal von West nach Ost durch Frankreich wollte weiß das - dass es in Frankreich nur ganz wenige "horizontale" Verbindungen gibt. Es gibt die eine A89 von Clermont-Ferrand nach Bordeaux. Die haben wir immer mit dem Benziner genommen. Allerdings gibt's da nur eine einzige Schnelllademöglichkeit, nicht in der Mitte und mit dem Anhänger einfach zu heikel. Das Problem ist aber die Strecke von Genf nach Lyon. Da geht es zwar viel bergab, aber auf dem Rückweg wäre das nicht möglich.
Also haben wir eine Querung durch Frankreich auf der Linie Mulhouse, Besancon rüber nach Bourges augewählt. Immer den Ionity-Ladern nach. Und die stehen zumeist an Nord-Süd Autobahnen. Damit waren dann auch die ursprünglich eigentlich notwendinge 1.200 km auf 1.300 km angewachsen.
Was waren wir vorsichtig. Permanente Kontrolle des Ladestandes, des Verbrauchs. Beinahe Herzinfarkte wenn man bergauf sah, was das Ding an Energie konsumiert. Höchsttempo auf den ersten 500 km 80-90 km/h. Okay der Anhänger ist in D nur bis 80 km/h zugelassen, ist aber bauartbedingt bis 100 km/h fahrbar. Und in der Schweiz, wie in F gibt's diese 80/100-Beschränkung für so leichte Anhänger nicht. In F darfste 130 km/h damit fahren. Nur versicherungstechnisch dürfte das dann ein Problem werden in D, wenn's zum Unfall kommt, da der Anhänger nur 100 km/h darf. Fun-Fact: bei französischen Autoversicherern ist ein Anhänger bis 750 km/ immer mit dem Zugfahrzeug automatisch mitversichert. Gibt auch keine extra Kfz-Steuer drauf.
Zum Laden mussten wir zumeist den Anhänger abkoppeln. Nach einigen Malen geht das immer schneller und besser. Wie gut, dass wir aber Unterlegkeile dabei haben. Nicht gerade lustig wenn Du das Ding vom Kugelkopf herunternimmst und es auf's Auto drauf rollen oder wegrollen will.
Zum Laden dann bei Move (CH), GoFast(CH), Fastned (F), Ionity (F), allego(F), und Tesla (F - da sind einige Super-Charger aufgemacht worden). Alles hat problemlos funktioniert. Zweimal mussten wir umparken. Das eine Mal, weil der Computer der Ladesäule bei Ionity abgestürzt war. Ich habe noch ein Foto des Linux-Startups gemacht, der beim Start des User-Interfaces hängengeblieben war. Das andere Mal hat die Kommunikation mit dem Fahrzeug nicht funktioniert - das lag aber wohl an unserer Ungeduld. Da gibt's wohl gravierende Unterschiede, auch in der Kommunikation der Ladesäule mit dem Zentralsystem zur Überprüfung der Zugangskarte. Bei manchen Ionity-Ladern dauerte das schon mal 10 Sekunden. Okay, nichts gegen die 30 Sekunden beim Sydelec-Lader in F im Wohnort. Aber hey, 50 kw-DC-Lader um die Ecke am Wohnort. Da ist das kein Problem, wenn man sich dran gewöhnt hatte. Und dort wurde die Verbindung auch über das Mobilfunktnetz hergestellt.
Bezahlt haben wir übrigens mit der Skoda-PowerPass-Karte. Hat problemlos funktioniert, auch beim Tesla-Super-Charger.
Insgesamt haben wir um dei 50 € für die gesamte Strecke an Stromkosten bezahlt. Mit dem Benziner hatte ich vor zwei Jahren noch locker 100 € ausgegeben. Da sind wir aber auch schneller gefahren.
Wir hatten dann auch einen Stop-Over gemacht. Das ist die nächste Herausforderung der Planung. Eine Unterkunft zu finden, auf der man das Auto und den Anhänger am Haus abstellen kann, die einen Hund akzeptieren, die auch passend für die Ladesituation sind usw. Da war etliche Knobelei notwendig. ABRP, Google-Maps und ChargeMap sind da unverzichtbar.
Insgesamt haben wir erheblich länger gebraucht als früher. Fahrzeiten früher waren ca. 14 Stunden (ohne Ruhepause), jetzt ca. 17 Stunden (ohne Ladepause). Hört sich nicht viel an, aber die Ladeunterbrechungen wurden immer länger, da wir mehr Pause wollten. Von daher war der Stop-Over absolut richtig.
Das Fahren war ultra entspannt. Mit 80-90 km/h machst Du Dir keine Gedanken mehr. Tempomat rein und fahren lassen. Wie lange noch bis zur nächsten Ladesäule, ABRP zeigt für viele den Online-Status an (ja, ich habe ein Abo abgeschlossen, wir müssen noch ein paar Mal die gleiche Strecke fahren in diesem Jahr), wie hoch der SoC und das Ganze dann wieder rückwärts.
Wir sind auch viel über National-/Departmentstraßen gefahren. Das haben wir dann auf dem Rückweg schon geändert, da wir uns wesentlich sicherer fühlten im Umgang mit dem Gesamtsystem.
Für die Rückfahrt haben wir dann eine andere Planung gemacht, dann nur noch knapp 1.200 km, aber wieder die A89 vermieden. Diesmal aber über Limoges, Chalon-sur-Saone und dann rüber ins französische Jura. Wir wollten dieses Mal über Neuchatel (CH) einfahren und direkt über Zürich zurück. Das ist so ziemlich die direkteste Verbindung, die es gibt. Allerdings mit einem unschönen Detail.
Für den Rückweg hatten wir keinen Stop-Over eingeplant. Wir meinten, 18 h Gesamtreiszeit sind für zwei Leute und diesmal leerem Anhänger möglich. Es hat auch sehr gut begonnen. 5:00 Uhr Abfahrt. 7:00 Frühstück am ersten Ionity-Lader. Es ist ein wirklich tolles Gefühl mitzubekommen, wie dein Auto geladen wird und Du Kaffee trinkst und Croissants isst. Früher, mit dem Benziner, war alles nach dem Tanken eher Zeitverbrauch. Jetzt ist die Pause integraler Bestandteil der Fahrt. Das hat uns sehr gut gefallen.
Auch dass wir über öffentliche Autobahnen und super ausgebaute Nationalstraßen (N10, N79, N80) gefahren sind, die zweispurig in jeder Richtung wie eine Autobahn funktionieren. Allerdings keine Maut kosten. Statt normalerweise ca. 70 € einen Weg, haben wir nur knapp 10 € Maut bezahlt. Das ist dann schon der Stop-Over. Wenn wir ihn denn gemacht hätten.
Und was ich auch übersehen hatte, war ein kleiner Lader, den wir anfahren mussten, an einer Nationalstraße gelegen, war ein Lader von e-born, der einen CCS/Chademo/Typ2 Anschluß hat. Allerdings mit gemeinsamen Stomanschluß. Soll heißen, normalerweise bringt das Ding 50 kW. Aber als sich noch ein anderes Auto mit Typ-2 mit 22 kW dran hängte, brach unsere Ladeleistung auf 24 kW zusammen. Damit hat der Ladevorgang dann eine Stunde gedauert. Für das nächste Mal heißt das, es ist besser einen kleinen Umweg zu fahren, wenn man dann an Ladeinfrastruktur mit mindestens 4 Schnellladesäulen kommt. In ABRP kann man das so einstellen. Das ist dann viel besser.
Der Hammer war dann aber nach bereits absolvierten 800 km die Querung von der A39 (F) L'Aire de Jura (Ionity) zum swisscharge-Lader nach Neuchatel. Ich hatte mir das Höhenprofil dieses Streckenabschnitts nicht angesehen - ist in ABRP möglich. Und damit nicht gewußt, dass wir von 200 m ü. NN. auf über 1.000 m rauf und wieder runter müssen. Oder anders gesagt, wir sind bei hereinbrechender Dunkelheit auf kleinen Bergstraßen mit einem E-Auto und Anhänger unterwegs gewesen. Für satte zwei Stunden. Höchste Anstrengung und Konzentration. Wir waren nach über 12 Stunden Fahrt zu dem Zeitpunkt völlig fertig. Wir haben erst später gelesen, dass wir tatsächlich dort oben durch den Skiort gefahren sind. In Neuchatel haben wir dann um 22:00 an einer menschenverlassenen Agrola-Tankstelle mit Swisscharge-Lader aufgeladen. Dann noch über Zürich und Oftringen (Go-Fast) nach Hause. Der Go-Fast-Lader war einer von drei Ladern an dem wir mit Anhänger angekuppelt laden konnten. Und der Go-Fast-Lader hat auch alles in Geschwindigkeit der RFID-Karten-Erkennung geschlagen, was wir bisher erlebt hatten. Die Karte kaum drangehalten, schon erkannt, akzeptiert und das Laden began. Das war um 0:30 nachts sehr willkommen. Um 1:30 waren wir dann wieder zuhause.
Erkenntnisse:
- iV60 geht - ist mit iV80 vielleicht entspannter - aber das grundsätzliche Problem, dass man nicht an jeder Ecke Lademöglichkeiten findet, verschiebt sich dann eben.
- Mit Anhänger, vor allem vollbeladen, wird das Elektrofahren eine ganz andere Hausnummer. Der Anhänger kostet selbst leer ca. 3-4 kW/h mehr.
- Ladepausen als Erholung nutzbar - sehr gut und vor allem auch gut machbar. Ladevorgang starten, zur Rastsätte rübergehen, Toilettengang, Kaffee/Tee/Getränk holen, kurz Beine vertreten. Oh, 80% erreicht.
- Skoda hat den 100 kW-Lader während meines Urlaubs auf 125 kW aufgemacht. Sehr nette und angenehme Überraschung, als da plötzlich 128 kW Ladeleistung stand.
- Es ist ESSENTIELL wichtig, dass man auf MINDESTENS 20% herunterfährt. Als wir einmal mit 11% ankamen, war das Laden auf 80% dermaßen schnell erledigt, das war schon unheimlich.
- Temperatur ist WICHTIG - alles unter 10 Grad ist eine zusätzliche Herausforderung in der Planung.
- 100 km/h (sind wir dann auf dem Rückweg mit leerem Anhänger gefahren) ist kein großer Unterschied zu 120 km/h Höchstgeschwindigkeit. Die Zeiten verlängen sich um ca. 5%. Das ist alles.
- Eine Ladekarte wie der Skoda-PowerPass scheint wichtig zu sein.
- Ein Télé-Péage-Abo macht die Sache an französischen Autobahnen so viel einfacher. Kein Ticket ziehen, keine Kreditkartenfummelei, kein heruntergefallenes Kleingeld, etc.
- Die Planung muss noch besser werden. Einfach drauflos fahren, vor allem in Frankreich West/Ost, ist nicht mehr möglich.
- ABRP ist unverzichtbar, wenn man in der E-Ladestellen-Diaspora unterwegs ist.
- ABRP ist nicht alles, vor allem mit einem Anhänger. ABRP bietet die Möglichkeit einen Anhänger zu berücksichtigen, aber das war nicht so hoch, wie dann in der Realität. Insbesondere als es noch so kalt war. Permanentes Umplanen und recherchieren war teilweise unerlässlich.